Offener Brief unserer Kreistagsfraktion an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten
der Bundesländer
Sehr geehrte Damen und Herren Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten,
durch die Beschlüsse im Bundestag vom 19.10.2023 und der Zustimmung der Bundesländer im Bundesrat vom 22.03.2024 zum Krankenhaustransparenzgesetz von Karl Lauterbach haben sich die Bundesländer das Mitspracherecht an einer Finanzierung der Krankenhausreform von Herrn Gesundheitsminister Lauterbach förmlich aus den Händen nehmen lassen.
Dies führt in nahezu allen Bundesländern zu unkontrollierten und unkoordinierten Krankenhausinsolvenzen und Schließungen, auch weiterhin notwendiger Standorte. Die ostdeutschen Bundesländer haben bereits eine Schließungs- und Neustrukturierungswelle der Krankenhauslandschaft im Jahr 1994 hinter sich.
Gerade in Südthüringen werden alle Standorte, vor dem Hintergrund der ländlichen Strukturen, der Infrastruktur und der topografischen Lage, dringend benötigt. Auch die drohende Schließung von zahlreichen Hausarztpraxen aufgrund des hohen Altersdurschnittes von niedergelassenen Allgemeinmedizinern und des fehlenden Nachwuchses, insbesondere im ländlichen Bereich, wirkt sich kontraproduktiv auf die geplanten Bestrebungen des Bundesgesundheitsministers einer zunehmenden Ambulantisierung von Leistungen aus.
Bedingt durch die zunehmende Unterversorgung durch Allgemeinarztpraxen, insbesondere im ländlich geprägten Ostdeutschland, suchen die Bürger schon jetzt überproportional häufiger die Notaufnahmen der verbliebenen Klinikstandorte auf. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren noch weiter verstärken.
So ist in unserem Landkreis Schmalkalden-Meiningen auch das kommunale Elisabeth Klinikum in Schmalkalden aufgrund mangelnder Ausfinanzierung der Leistungen unter enormem finanziellem Druck und benötigt die Unterstützung des kommunalen Trägers, des Landkreises Schmalkalden-Meiningen. Diese ist jedoch nicht in unbegrenztem Maße und dauerhaft möglich.
Bis zur Etablierung des Krankenhaustransformationsfonds ab dem Jahr 2026 mit dem Ziel der Neustrukturierungen der Kliniken in Richtung Ambulantisierung oder Maximalversorgung vergeht noch zu viel Zeit, ohne dass eine geeignete Finanzierung der Übergangszeit gesichert ist. Einige Klinikstandorte werden diese Transformation nicht erreichen und schlittern in unkontrollierte Insolvenzen und Schließungen. Sie brauchen jetzt Hilfe!
Tariflohnsteigerungen, Preissteigerungen und nicht adäquat gestiegene Landesbasisfallwerte verursachen weitere Defizite bei den Kliniken in Millionenhöhe. Selbst das landeseigene Universitätsklinikum in Jena benötigte vor kurzem eine Finanzspritze von 60 Mio. Euro durch den Freistaat Thüringen.
Wir fordern daher die Länderchefinnen und Länderchefs auf, ihren Einfluss auf die Haushaltsdebatte des Bundes jetzt zu nutzen, um schnellstmöglich eine geeignete Zwischenfinanzierung für die Krankenhäuser in Deutschland zu erwirken. Lassen Sie diese Chance jetzt nicht verstreichen und setzen Sie sich bitte durch!
Im Hinblick auf das zustimmungspflichtige Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) müssen die Länder nun zwingend Druck auf die Bundesregierung und den Bundesgesundheitsminister ausüben und ihre Zustimmung im Bundesrat davon abhängig machen.
Neben den großen wirtschaftlichen Problemen und Herausforderungen, vor denen dieses Land steht, verunsichern Klinikschließungen, Insolvenzen und die zunehmend mangelnde medizinische Versorgung die Bürgerinnen und Bürger noch mehr.
Gerade bei den Apotheken in unserem Land stehen wir einer ähnlich katastrophalen Entwicklung gegenüber. Seit 2014 wurden die Preisstrukturen nicht angepasst, trotz der bekannten Kostensteigerungen im Einkauf und beim Personal. Stattdessen wurde für die Apotheken das für eine schnelle Kostenerstattung gesetzlich verpflichtend an die Krankenkassen zu gewährende Skonto pro Packung von 1,77 € auf 2,00 € angehoben, mitten in der Corona-Zeit. Das bedeutet schon jetzt Mehrkosten von 23ct/Packung für die Apotheken.
Nun will Herr Bundesminister Lauterbach mit dem im Entwurf vorliegenden Apothekenreformgesetz noch eins draufsetzen. Zwar soll der Pauschalwert pro Rezept minimal steigen (bei Weitem nicht inflationsgerecht), dafür soll aber gleichzeitig die prozentuale Beteiligung am Medikamentenpreis sinken. Eine reine Umverteilung, die kein zusätzliches Geld für die seit langem unterfinanzierten Apotheken zur Verfügung stellt. Darüber hinaus werden durch das Abschmelzen der 3 % auf 2 % besonders auch Apotheken in ihrer Existenz gefährdet, die für tausende Patienten in Thüringen Krebsmedikamente und Infusionen herstellen.
Gleichzeitig hat der Bundesgerichtshof ein Urteil aus dem Juni 2024 veröffentlicht, nachdem Skontozahlungen in Richtung der Apotheken grundsätzlich untersagt sind. Diese Entwicklungen führen laut Branchenverband dazu, dass allein in Thüringen 14% der Apotheken rote Zahlen schreiben. 43% der Apotheken in Thüringen können auf dieser Grundlage nicht mehr rentabel arbeiten.
Die Aussage aus dem Bundesgesundheitsministerium, dass die Umsätze in den Apotheken ja steigen würden und es daher nicht so schlimm sein könne, ist ein Fehlannahme.
283 Apotheken[1] mussten im Zeitraum Januar bis Juni 2024 in Deutschland aufgrund der Problemlagen schließen, Tendenz steigend. Die Attraktivität für Fachkräfte im Apothekendienst sinkt rapide, da aufgrund der Stagnation der Rentabilität natürlich auch keine höheren Gehälter gezahlt werden können. So liegen die Gehälter von pharmazeutisch-technischen Assistenten oft nur knapp über dem Mindestlohn, weil einfach nicht mehr geht.
Gleichzeitig werden die angedachten Regelungen im Entwurf des Apothekenreformgesetzes auch zum Ende der kleinen und individuellen Apotheken führen, da sie den großen Ketten und Versandhändlern, die oft im Ausland ihren Sitz haben, Tür und Tor öffnen eine marktbeherrschende Stellung einzunehmen – auf Kosten der Versorgungsqualität für unsere Bevölkerung. Eine ähnliche Entwicklung ist bereits in Schweden seit 2017[2] zu beobachten, die im Schnitt zu einer Teuerung von 50% des Medikamentenpreises für die Bevölkerung geführt hat. Das darf nicht das Ziel einer Gesundheitsreform sein.
Das sind aus vielen Perspektiven katastrophale Entwicklungen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in Deutschland. Das Apothekenreformgesetz von Herrn Gesundheitsminister Lauterbach ist aufgrund der im Entwurf enthaltenen Regelungen dazu geeignet, das Apothekensterben, insbesondere im ländlichen Raum zu beschleunigen und die Versorgungsqualität für die Bevölkerung nachhaltig zu verschlechtern.
Gerade vor dem Hintergrund der enormen Leistungen, die das Personal der Krankenhäuser und der Apotheken jeden Tag erbringt und ganz besonders während der Corona-Zeit erbracht hat, muss eine sicherlich notwendige Reform des Gesundheitssystems mit dem notwendigen Respekt, Transparenz und Fairness angegangen und kommuniziert werden. Es darf nicht das Ziel sein, auf Kosten der Versorgungsqualität für die Bevölkerung, notwendige Strukturen gerade im ländlichen Raum nachhaltig zu zerstören.
Nutzen Sie bitte Ihren Einfluss, um gerade den ländlichen Raum nicht noch weiter zu schwächen und abzuhängen.
Für die CDU-Fraktion im Kreistag Schmalkalden-Meiningen
und den CDU-Kreisverband Schmalkalden-Meiningen
gez. Ralf Liebaug
Vorsitzender
[1] https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/07/19/noch-mehr-apothekenschliessungen-als-im-vorjahreszeitraum#:~:text=283%20Apotheken%20mussten%20demnach%20im,heute%20in%20einer%20Pressemitteilung%20bekannt.
[2] https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2017/01/16/otc-preise-nach-liberalisierung-um-bis-zu-50-prozent-gestiegen